Hybrid-DRG in Deutschland: Status Quo und Potenziale
Status Quo
Die Hybrid-DRG-Systematik stellt einen wichtigen Schritt in der Weiterentwicklung des deutschen Gesundheitssystems dar. Die Grundlage dafür bildet §115f des Sozialgesetzbuches (SGB V), der die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Einführung und Abrechnung von Hybrid-DRG schafft[1]. Dieses System erlaubt es, Leistungen, die sowohl stationär als auch ambulant erbracht werden können, in einer einheitlichen Abrechnungsstruktur abzubilden. Dies soll nicht nur die Transparenz und Vergleichbarkeit erhöhen, sondern auch eine patientenorientierte Versorgung fördern.
Am 1. Januar 2023 ist der Vertrag nach § 115f SGB V in Kraft getreten und ermöglicht die Abrechnung von 12 Hybrid-DRGs[2]. Dieser Vertrag markiert einen bedeutenden Schritt zur Überwindung der starren Sektorengrenzen im deutschen Gesundheitssystem. Während der Vertrag von vielen Akteuren als wichtige Innovation angesehen wird, gibt es in der Praxis noch offene Fragen und Herausforderungen, sowohl für Medizintechnikhersteller als auch Fachgesellschaften. Besonders die Berechnung der Leistungen, die praktische Umsetzung und die genaue Abgrenzung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung müssen weiter optimiert werden.
Ein bedeutender Ausblick ist die für 2025 geplante Selbstverwaltungsvereinbarung, die eine umfassende Weiterentwicklung des Hybrid-DRG-Systems anstrebt. Diese Vereinbarung, die im Rahmen der gemeinsamen Selbstverwaltung von Krankenkassen und Leistungserbringern erarbeitet wird, zielt darauf ab, die bisherigen Erfahrungen mit dem System aufzugreifen und es weiter zu optimieren.
Im Mittelpunkt stehen dabei die Einbindung neuer medizinischer Verfahren und die Anpassung der Abrechnungssystematik. Konkret wird die Vereinbarung Regelungen für eine Vielzahl spezifischer Eingriffe und Behandlungen beinhalten, die besonders geeignet für eine hybride Abrechnung sind. Dazu zählen unter anderem Eingriffe am Schlüsselbein, operative Behandlungen von Analfisteln, brusterhaltende Operationen bei kleineren Tumoren, sowie Eingriffe an Hoden und Nebenhoden. Auch endoskopische Untersuchungen und Interventionen an Pankreas, Leber und Galle sollen abgedeckt werden. Darüber hinaus werden einige OPS-Kodes der Hernienchirurgie und der Operationen am Sinus pilonidalis in das System integriert[3].
Die kommenden Jahre werden entscheidend dafür sein, wie flexibel und effektiv das Hybrid-DRG-System in der Praxis umgesetzt werden kann.
Wie können wir helfen?
Um die Weiterentwicklung und Akzeptanz des Hybrid-DRG-Systems zu unterstützen, ist ein aktives Engagement aller Beteiligten notwendig. Ein vielversprechender Ansatz besteht darin, Workshops mit Key Opinion Leaders (KOLs) zu organisieren. Diese bieten die Gelegenheit, Fachgesellschaften frühzeitig in die Diskussion einzubeziehen und deren Expertise zu nutzen. Durch den intensiven Austausch können relevante Fragestellungen und potenzielle Herausforderungen identifiziert werden, die für die erfolgreiche Umsetzung von Hybrid-DRG adressiert werden müssen.
Ein weiteres wichtiges Instrument ist die Zusammenarbeit mit Fachgesellschaften zur Erstellung eines Positionspapiers. Beispiele für Positionspapiere sind die von der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauung- und Stoffwechselerkrankungen (DGVS) in 2023 und 2024 veröffentlichten Artikel und das von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) veröffentlichte Papier zur Ambulantisierung in der Pneumologie (siehe Weiterführende Links am Ende des Beitrags). Ein ähnliches Positionspapier könnte eine wissenschaftlich fundierte Analyse des Hybrid-DRG-Systems liefern und die Diskussion in der Fachwelt sowie in der Politik fördern.
Zur Unterstützung der praktischen Umsetzung wäre eine fundierte Kostenberechnung sinnvoll. Dabei könnten zwei Ansätze verfolgt werden:
1. InEK-Basis: Eine Kostenberechnung auf Grundlage der Daten des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) könnte helfen, finanzielle Modelle zu entwickeln und die ökonomischen Auswirkungen des Hybrid-DRG-Systems umfassend zu bewerten. Zusätzlich sollten die Kontextfaktoren, die definieren, welcher Patient ambulant und welcher weiterhin stationär behandelt werden soll) spezifisch für eine aufzunehmende Prozedur überprüft und ggf. ergänzt werden.
2. Echtdatensammlung in spezifischen Fachbereichen: Alternativ könnte eine Analyse auf Basis von Echtdaten aus bestimmten Fachbereichen durchgeführt werden. Diese realen Daten würden wertvolle Einblicke in die tatsächliche Praxistauglichkeit und Wirtschaftlichkeit des Systems bieten und als Nebeneffekt sicherstellen, dass dem InEK die korrekten Kosten der zu ambulantisierenden Prozedur zur Verfügung stellen.
Schlussfolgerung und Ausblick
Die Einführung und Weiterentwicklung des Hybrid-DRG-Systems in Deutschland stellt einen wichtigen Schritt hin zu einer zukunftsfähigen und patientenorientierten Gesundheitsversorgung dar. Durch die enge Zusammenarbeit aller Akteure – von Fachgesellschaften über Kostenträger bis hin zu Gesundheitseinrichtungen – kann das volle Potenzial dieses Systems ausgeschöpft werden. Mit gezielten Maßnahmen wie Workshops, Positionspapieren und fundierten Analysen von Real-World-Daten hinsichtlich Kosten und Ambulantisierbarkeit können wir dazu beitragen, dass das Hybrid-DRG-System erfolgreich in der Praxis verankert wird und langfristig für eine bessere Versorgung sorgt.
Weiterführende Links
- Strukturelle, prozedurale und personelle Voraussetzungen für eine sektorenübergreifende Erbringung endoskopischer gastroenterologischer Leistungen
- Ambulantisierung in der Pneumologie – eine wissenschaftliche Analyse und ein Positionspapier der DGP
- Auswirkungsanalyse einer neuen, sektorenübergreifenden Erbringung bisher stationärer endoskopischer gastroenterologischer Leistungen entsprechend §115f SGB V (Hybrid-DRG): Zuordnungsmatrix und Kostenanalyse
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[1] § 115f SGB 5 - Einzelnorm (gesetze-im-internet.de)
[2] Verordnung zu einer speziellen sektorengleichen Vergütung (Hybrid-DRG-V) | BMG (bundesgesundheitsministerium.de)
[3] KBV - Hybrid-DRG-Katalog 2025: KBV, DKG und Kassen einigen sich auf weitere Eingriffe